Rigas Zentralmarkt und Altstadt erleben – unser perfekter Einstieg in die Hauptstadt
Unser erster Programmpunkt führt uns direkt an einen Ort, der so typisch Riga ist wie kein zweiter: der Zentralmarkt. Anders als in vielen anderen Hauptstädten wurde der alte Markt nicht verdrängt oder umgebaut. Mitten im Zentrum, direkt an der Daugava.
Was viele nicht wissen: Die riesigen Hallen waren einst Zeppelin-Hangars der deutschen Armee. Heute bilden sie das Herzstück eines Marktes, der schon 1930 als modernster Europas galt – und den die Menschen in Riga bis heute einfach „den Bauch der Stadt“ nennen. Zwischen geräuchertem Fisch, Kräuterquark und eingelegten Gurken wird probiert, gekauft, diskutiert. Kein Hochglanz-Erlebnis, sondern echtes Alltagsleben. Wir kosten lettischen Käse, probieren Honig vom Land und hören das ständige Gemurmel aus Lachen, Feilschen und Empfehlungen.
Der Marktbesuch ist der perfekte Einstieg. Danach geht’s zu Fuß durch die Altstadt. Unsere Stadtführerin zeigt auf steinerne Fassaden mit kunstvollen Gesichtern, auf kleine Innenhöfe, die man allein nie finden würde, und auf Hauswände, die Geschichten von Hansekaufleuten, deutschen Baronen und sowjetischer Verwaltung erzählen. Wir laufen über holpriges Pflaster, vorbei an Bäckereien, die nach frischem Roggenbrot duften, und landen schließlich auf dem Livenplatz: links die Große Gilde, rechts ein moderner Hotelbau, dazwischen Cafés, springende Fontänen und ein Platzbelag, der in Wellen verlegt ist. Eine Mischung aus alt, neu und allem dazwischen.


Mit dem Oberleitungsbus durch Riga – unterwegs wie die Einheimischen
Zu dieser Mischung gehören auch die Obusse, die seit fast 80 Jahren das Stadtbild prägen. Eine unserer liebsten Erinnerungen an Riga beginnt ganz unspektakulär an unserem ersten Abend – in genau solch einem Trolleybus in Blau-Weiß. Wir möchten noch essen gehen, in einem anderen Teil der Stadt. Also steigen wir ein. Dann summt der Bus leise los, elektrisch geführt über seine unsichtbaren Schienen aus Licht. Wir fahren in der Abendsonne vorbei an Jugendstilfassaden, grauen Klassikbauten, kleinen Läden mit Häkeldecken im Schaufenster und Gemüsekisten vor der Tür.
Neben uns sitzen zwei ältere Damen mit Strassstein-Mützen, ein Paar mit Einkaufstaschen, ein junger Mann mit Geige auf dem Rücken. Niemand sagt viel. Die Stadt fließt draußen stillentlang, während hier drinnen alles irgendwie zeitlos wirkt.
In diesem Moment wird uns noch einmal deutlich: Riga ist modern – aber nicht glattgebügelt. Die Stadt bewahrt alte Technik, nicht aus Nostalgie, sondern weil sie funktioniert. Und weil sie dazugehört.


Während wir in der Abenddämmerung weiterfahren, stellen wir uns vor, wie dieser Bus im Winter unterwegs ist – mit beschlagenen Scheiben, Lichterketten an den Fenstern und Menschen, die leise, vielleicht ein wenig durchgefroren, auf dem Heimweg sind. Riga im Dezember. Riga zu Silvester. Vielleicht kommen wir dann wieder.


Riga im Frühling entdecken – Spaziergänge durch die blühenden Parks
Doch jetzt herrscht erst einmal Frühling! Am nächsten Vormittag stehen für uns zunächst ein paar Hotelbesichtigungen auf dem Plan. Wir schauen uns verschiedene Häuser an – zentral gelegen, manche mit Blick auf die Daugava, andere ruhig und etwas außerhalb. Die Ausstattung reicht von schlicht bis modern, für jeden Reisetyp ist etwas dabei. Was überall positiv auffällt: freundliches Personal, klare Strukturen, keine überladene Deko und definitiv europäischer Standard.
Nach dem Pflichtteil folgt der schönste Programmpunkt: spazieren. Riga hat über zwanzig große Parks, und Anfang Mai stehen viele von ihnen in voller Blüte. Tulpen, Flieder, saftig grüne Rasenflächen, und dazwischen Spaziergänger, Familien mit Picknickdecken, lesende Menschen auf Bänken. Besonders auffällig ist, dass viele Beete in Rot und Weiß gestaltet sind, als farblicher Gruß an den nahenden Unabhängigkeitstag.



Bootsfahrt auf der Daugava – Riga vom Wasser aus erleben
Heute Abend gehen wir an Bord eines kleinen Ausflugsboots. Die Daugava fließt ruhig durch die Stadt, links das Schloss, rechts die Silhouette der Altstadt mit ihren spitzen Türmen. Die Sonne steht tief, wir sitzen an Deck, ziehen die Jacken ein bisschen enger und genießen den Blick. Herrlich! Riga wirkt vom Fluss aus noch ruhiger. Während das Licht langsam wechselt und die Straßenlampen angehen, denke ich: Genau so muss sich eine Hauptstadt im Frühling anfühlen.


Unabhängigkeitstag am 4. Mai – so feiert Lettland in Riga
Am 4. Mai feiert Lettland seine Unabhängigkeit. Die Stadt ist vorbereitet: Bühnen stehen, Musiker stimmen sich ein, Folkloregruppen in Tracht wärmen sich auf. Nur das Wetter spielt nicht mit. Es regnet, und viele Programmpunkte finden unter Schirmen oder in Regenjacken statt. Trotzdem ist die Stimmung gut. Rund ums Freiheitsdenkmal sammeln sich Menschen, Familien, Touristengruppen, Schulklassen – ohne Gedränge, ohne Hektik.
Zur Aufwärmung gehen wir ins Black Magic Café. Der Name klingt touristisch, aber das Innere ist überraschend stimmig: alte Apothekerregale, dunkles Holz, gedämpftes Licht. Ich probiere den berühmten Black Balsam – Lettlands Kräuterlikör. Richtig stark und bitter. Nicht mein neues Lieblingsgetränk, aber ein Stück Riga zum Erinnern.
Reise-Fazit und Ausblick: Riga im Frühling und ein leiser Traum vom Winter
Riga hat uns total überrascht. Die Stadt drängt sich nicht auf, aber sie bleibt im Kopf. Es gibt keine Must-sees im Minutentakt, sondern Platz für echtes Entdecken. Ob beim Marktbesuch, im Park oder am Ostseestrand – alles wirkt zugänglich und gut dosiert.
Gerade rund um den 4. Mai, wenn das Land feiert, zeigt sich Riga von einer Seite, die viele Hauptstädte verloren haben: offen, gepflegt, aufgeräumt – und dabei angenehm unaufgeregt.
Je mehr wir gesehen haben, desto mehr wuchs die Lust, zurückzukehren – im Winter. Wenn statt Flieder der Duft von Glühwein und heißem Balsam durch die Gassen zieht. Und wenn statt Fontänen am Livenplatz das Silvesterfeuerwerk über der Daugava glitzert. Denn hier scheint genau der richtige Ort für einen Jahreswechsel ohne Kitsch und Krawall zu sein – kultiviert, aufgeräumt, feierlich, aber nicht überdreht. Keine Großstadt, die sich selbst inszeniert. Sondern eine Hauptstadt, die Platz lässt für echte Momente, gute Gespräche, leuchtende Straßen und stille Ausblicke.

Genau das wünschen wir uns für den Jahreswechsel – und Riga hat all das schon im Frühling versprochen.
Ihre Selina Jungnickel und ihr Karsten Swinnes